Wie Sie Fehlentscheidungen unter Druck vermeiden

By Carola Lübbenjans | Leistungsstarke Führung

Mrz 03
fehlentscheidungen

Können Sie Fehlentscheidungen reduzieren?

Haben Sie schon einmal Fehlentscheidungen getroffen? Der Gedanke an die Konsequenzen von Fehlentscheidungen plagt viele Führungskräfte in dieser krisenreichen Zeit. Die Rahmenbedingungen sind so komplex geworden, dass oftmals ein komisches Bauchgefühl bleibt. Und das obwohl nach bestem Wissen und Gewissen entschieden wird.  

Woran liegt das?

Komplexe Entscheidungssituationen triggern Fehlentscheidungen

Täglich treffen wir Hunderte von Entscheidungen, die uns im Vorfeld mehr oder weniger beschäftigen. Wir entscheiden uns für eine Kleiderauswahl am Morgen, überlegen, was wir zu Mittag essen und welches Buch wir als Nächstes lesen wollen, usw.

In komplexeren Situationen, wie z. B. einer Lieferverzögerung mit weitreichenden Folgen für die Produktion, müssen wir wesentlich mehr über verschiedene Faktoren nachdenken, bevor wir eine Entscheidung treffen können. Solche Situationen können belastend sein und Stress auslösen. 

Folgende Merkmale kennzeichnen komplexe Entscheidungssituationen:

  • Unbestimmtheit, Intransparenz - Der Überblick über die Problematik ist kaum oder gar nicht gegeben.
  • Dynamik - Die Situation verändert sich in rasenter Geschwindigkeit.
  • Zeit und Handlungsdruck - Ein geringes Zeitfenster steht für die Lösung eines Problems zur Verfügung.
  • Emotionaler Druck - Weitreichende Konsequenzen ergeben sich durch eine Entscheidung. Somit lastet ein hoher Verantwortungsdruck auf der Führungskraft.

Druck erhöht die Fehlerrate

Unter diesen Umständen zu agieren und zu entscheiden erfordert strukturiertes und effizientes Vorgehen. Logisch 🙂

Leider wird das durch den emotionalen und den Zeitdruck, den Führungskräfte verspüren, deutlich erschwert. Es entsteht eine Stresssituation, die sich auf das Denken und Handeln negativ auswirkt. Die Entscheidungsfindung wird beeinträchtigt und hinterlässt ein komisches Bauchgefühl. Kein Wunder, denn die Wahrscheinlichkeit für Fehlentscheidungen erhöht sich drastisch.

In diesem Artikel erfahren Sie, welche 3 Methoden Ihnen helfen, diese Fehlerfallen zu umgehen.

Entschleunigen

Bringen Sie Ihre Gehirn in den Leistungsbereich zurück.

Abgleichen

Gleichen Sie mentale Modelle ab, um Fehler frühzeitig zu entdecken.

Öffnen

Öffnen Sie gezielt Ihre Wahrnehmung, um wichtige Infos verarbeiten zu können.

Die 5 schlimmsten Fehlerfallen, in die Führungskräfte tappen können

Die oben genannten Faktoren beeinflussen die Entscheidungsfindung so stark, dass sie fehleranfällig wird. Stehen Führungskräfte unter Druck, so tappen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, in folgende Fallen zu tappen:

Fehlerfalle 1: Zu schnelle und zu spontan handeln

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Treten plötzlich und unerwartet Probleme auf, neigen wir alle dazu, schnell handeln zu wollen. Dabei planen wir nicht und reflektieren zu wenig. Wir handeln impulsiv, spontan und ohne Struktur. Warum?

Dietrich Dörner vertritt in seinem Buch „Die Logik des Misslingens“ die Annahme, dass die Bewahrung des Gefühls der eigenen Kompetenz reiner Selbstschutz ist. Dadurch bleibt ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit erhalten. Wir tun also etwas, um zu handeln und uns dadurch kompetent zu fühlen. Das Handeln gibt uns vermeintlich die Kontrolle über die Situation zurück.

Das kann gelingen, doch Vorsicht: Diese spontanen Aktionen werden wenig durchdacht und führen häufig zu Fehlern.

Fehlerfalle 2: Vorschnelle Annahme von Lösungen

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Gerät eine Situation zunächst außer Kontrolle, so wollen wir diese also so schnell wie möglich zurückerlangen. Wie erleichternd, wenn uns genau in diesem Moment jemand eine Lösung vorlegt. Selbstverständlich nehmen wir diese gerne an.

Das Problem: Die Lösung wird oftmals nicht kritisch hinterfragt. Zum Verhängnis wird das dann, wenn das Resultat fehlerhaft ist und das Problem weiterhin bestehen bleibt.

DARAUF KOMMT ES JETzT AN:

ENTSCHLEUNIGUNG

Begegnen Sie dem Drang nach impulsivem Handeln mit Struktur. Legen Sie eine Vorgehensweise fest und halten Sie sich daran.

Der erste Punkt auf Ihrer Agenda sollte der des Nachdenkens sein. Setzen Sie sich gedanklich auf Ihre Hände und überlegen Sie bewusst, welches Ziel Sie erreichen wollen, wie viel Zeit dafür zur Verfügung steht, welche Fakten vorliegen, etc. Erst dann schreiben Sie auf, welche Eckpfeiler zur Lösungssuche und Entscheidungsfindung gehören.

Diese Methode entschleunigt und nimmt den ersten Impulsen ihre Kraft. Keine Sorge – die Zeit, die Sie dafür aufwenden, werden Sie später wieder reinholen. Je strukturierter das Vorgehen, desto effizienter werden die Arbeitsabläufe.

Fehlerfalle 3: Risiken unterschätzen

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Unter Stress verändert sich unsere Wahrnehmung. Unser Urteilvermögen wird vermindert. Wir hinterfragen weniger kritisch und urteilen laxer. Wir tendieren dazu höhere Risiken einzugehen, weil wir diese schlichtweg unterschätzen. (Bagshaw & Campbell, 2009)

Fehlerfalle 4: Festhalten am mentalen Modell

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Tritt ein Problem auf, so haben wir innerhalb weniger Sekunden eine Vorstellung davon, worum es sich handelt. Unser Gehirn generiert ein mentales Abbild der aktuellen Situation – ein mentales Modell. Gebildet wird das Modell aus Informationen, die in der aktuellen Situation vorhanden sind. UND es wird aufgefüllt mit Daten, die gar nicht vorhanden sind, zu dieser Art von Situation passen und somit vorhersagbar sind (Schemata). Und genau hierin liegt eine große Fehlerquelle.

Beispiel: Experiment von Brewer & Treyens (1981)

Versuchspersonen wurden in ein präpariertes Büro eines Studenten höheren Semesters geführt mit der Bitte, hier zu warten. Der Raum enthielt Objekte, die nicht in ein Büro gehören (z. B. einen Schädel). Und es fehlten Gegenstände, die man dort typischerweise erwartet (z. B. Bücher). Nach 35 Sekunden wurden die Versuchspersonen in einen nahe gelegenen Raum gebracht und aufgeklärt, dass dies Teil des eigentlichen Experimentes war. Sie wurden gefragt, an welche Gegenstände sie sich erinnern können.

Die Versuchspersonen stellten sich den Raum noch einmal bildlich vor – sie generierten ein mentales Modell des Büros. So erinnerten sie sich an viele Gegenstände, die tatsächlich vorhanden waren (aktuelle Informationen). Zusätzlich nannten sie Gegenstände, die typischerweise in ein Büro gehören, aber de facto nicht da waren. Das mentale Modell wurde mit Informationen aus dem im Gehirn gespeicherten Büro-Schemata aufgefüllt.

Das bedeutet: Wenn wir uns nicht genau an Einzelheiten erinnern können, neigt unser Gedächtnis dazu - und das passiert unbewusst - die fehlenden Informationen aufzufüllen. Dazu verwendet unser Gehirn Merkmale, die als typisch oder zugehörig angenommenen werden. (Rüßbüldt 2003, S. 11)

Dieses unbewusste Auffüllen kann dem Entscheidungsfindungsprozess zum Verhängnis werden. Es können Informationen in das mentale Modell integriert werden, die in der realen Situation nicht vorhanden sind. Das bedeutet, dass sich die Entscheidungsfindung in eine ganz andere Richtung entwickeln kann, als sie es sollte. Und dazu kommt:

Je mehr wir unter Stress stehen, desto mehr halten wir an dem mentalen Modell fest.

Wir tendieren dazu, uns an diese mentalen Modelle zu klammern. Fehlentscheidungen sind die logische Folge.

DARAUF KOMMT ES JETZT AN:

Abgleich mentaler Modelle

Sprechen Sie mit Kollegen oder Ihrem Team über die Situation. Erfragen Sie, welche mentalen Modelle vorliegen. Aber Vorsicht – es besteht die Gefahr, dass Sie durch Ihre Kommunikation Ihre Mitarbeiter beeinflussen. Es ist wie bei dem Publikumsjoker der Sendung „Wer wird Millionär“. Überlegt der Spieler laut und befragt erst danach das Publikum, entfernen sich die Antworten von seinen Gedanken nur wenig.

Lassen Sie also zuerst die Mitarbeiter Ihre Gedanken aussprechen, bevor Sie Ihr mentales Modell preisgeben. So können Sie abgleichen, welche Informationen unberücksichtigt geblieben sind.

Fehlerfalle 5: Auf Wahrnehmungsverzerrungen reinfallen

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Entscheidungen zu fällen ist häufig schwierig. Je mehr Konsequenzen daran hängen, desto eher hadern wir mit uns. Hat sich die Führungskraft letztlich zu einer Entscheidung durchgerungen, wird diese konsequent verteidigt. Die Wahrnehmung verzerrt sich in Richtung Bestätigung. Alle Argumente, die die Entscheidung stützen, treten in den Vordergrund. Alle, die dagegen sprechen, werden in den Hintergrund verbannt.

Zusammen mit dem gebildeten mentalen Modell haben wir es hier mit einer sehr resistenten Entscheidungsfalle zu tun. Ein gutes Beispiel ist das der Rüsselsheimer Elektronik AG. 

DARAUF KOMMT ES JETZT AN:

Devil's Advocate

Verkehrspiloten setzen im Fehlermanagement eine sehr wirkungsvolle Technik ein, die sich „Devil’s advocate“ nennt. Ziel dieser Technik ist es, einer Voreingenommenheit in Entscheidungsprozessen entgegenzuwirken. Wie genau funktioniert das?

Anstatt nach Bestätigungen zu suchen, hinterfragt man seine Wahrnehmungen kritisch. Was passt nicht in die Situation? Welche Informationen widersprechen meinem mentalen Modell?

Mit diesem Vorgehen öffnet sich der Tunnelblick und die Aufmerksamkeit wird auf Widersprüchlichkeiten in den Informationen gelenkt. Es wird wieder möglich, das mentale Modell zu aktualisieren oder gar ganz zu verwerfen. Fehler können aufgedeckt und behoben werden. Der Entscheidungsprozess erfährt eine neue Qualität.

Fehlentscheidungen sind sehr wahrscheinlich

Fazit:

Neben den täglichen Entscheidungen gibt es Situationen, die so komplex sind, dass es schwierig wird, Entscheidungen zu treffen. Der Überblick fehlt, die Dynamik führt zu Zeit- und Handlungsdruck, die Verantwortung steigt und erzeugt auf der emotionalen Ebene Stress. Unter solchen Umständen wird strukturiertes, überlegtes Vorgehen wichtig. Und paradoxerweise durch die Gegebenheiten der komplexen Lage  nahezu unmöglich.

Folgende menschliche Tendenzen beeinträchtigen die Entscheidungsfindung und lassen Führungskräfte in diese Falle tappen:

Vorsicht bei diesen 5 Fehlerfallen

  • Zu schnelles und zu spontanes Handeln – impulsive Aktionen statt durchdachtes Vorgehen.
  • Vorschnelle Annahme von Lösungen – schnelle Erleichterung statt kritisches Hinterfragen.
  • Risiken unterschätzen – laxes Urteilen statt gezieltes Abwägen.
  • Festhalten am mentalen Modell – unbewusstes Annehmen statt smartes Abgleichen.
  • Auf Wahrnehmungsverzerrungen reinfallen – Bestätigung finden statt nach Widersprüchlichkeiten suchen. 

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Führungskräften helfen, den Stresslevel zu reduzieren. Das Ziel lautet hierbei handlungsfähig zu bleiben, um flexibel auf die anstehenden Anforderungen zu reagieren.

Mit den folgenden 3 Methoden kann es gelingen, den oben genannten Fallen zu entkommen:

So können Sie diese Fehlerfallen überwinden

  • Geschwindigkeit rausnehmen, um den ersten Impulsen nicht nachzugeben.
  • Mentale Modelle abgleichen, um Fehler aufzudecken.
  • Devil’s advocate nutzen, um Voreingenommenheit zu begegnen.

Welche Maßnahmen helfen Ihnen, in komplexen Entscheidungssituationen handlungsfähig zu bleiben? 

Carola Lübbenjans

Hallo, mein Name ist Carola Lübbenjans. Ich bin Diplom Psychologin und habe mehr als 10 Jahre lang in Bremen Verkehrspiloten darin ausgebildet, in kritischen Stresssituationen einen kühlen Kopf zu bewahren.


Dieses Wissen gebe ich an Führungskräfte weiter, damit sie unter starkem Druck sicher und souverän ihr Team zum Ziel führen.


Ich unterstütze Sie darin, gesund leistungsstark zu bleiben und fokussiert Entscheidungen zu treffen, ohne dabei schwerwiegende Fehler zu begehen.

Carola Luebbenjans

Führungskräfte-Coach & Trainerin