Haben Sie wirklich Zeitdruck?
Ein Blick ins Cockpit
Bevor ich darauf zurückkomme, lassen Sie uns einen kurzen Blick in das Cockpit eines Verkehrsflugzeuges werfen.
In der Fliegerei entsteht immer größter Zeitdruck, wenn Systeme ausfallen. Schließlich befindet sich die Cockpitcrew weit über dem sicheren Boden. Das Flugzeug bewegt sich mit enormer Geschwindigkeit und lässt sich nicht einfach so rechts ranfahren. Und letztlich geht es um das eigene Leben.
Das sollte man glauben. ABER: Häufig ist dem nicht so.
Es ist wahr, dass die Dynamik des Fluges zügiges Handeln erfordert. Und trotzdem bleibt in der Regel genug Zeit zur Verfügung das Problem mit kühlem Kopf anzugehen. Piloten lernen bereits in der Ausbildung, mit diesem Gefühl des Zeitdrucks umzugehen.
In diesem Artikel verrate ich Ihnen 3 Vorgehensweisen, die Piloten in kritischen Situationen nutzen, um Druck aus rauszunehmen und mit kühlem Kopf zu handeln.
Der Grund, warum ich Ihnen das verrate ist simpel: Sie können das genauso anwenden.
Zurück zur Anfangsfrage
Im Büro existiert täglich enormer Zeitdruck. Im direkten Vergleich mit der oben geschilderten Cockpitsituation werden Sie zustimmen, dass sich alle am sicheren Boden befinden und somit keine ernste Lebensgefahr vorliegt, oder?
Beide Situationen haben eines gemeinsam: Sie erleben gefühlten Zeitdruck.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Selbstverständlich gibt es einen Anlass, der dazu führt, dass Sie Zeitdruck empfinden. Keine Frage. Dennoch ist es häufig so, dass dieser Zeitdruck zu einem großen Anteil im Kopf entsteht.
Der gefühlte Zeitdruck ist meistens sehr viel höher, als der tatsächliche.
Gefühlter Zeitdruck hat Folgen
Gefühlter Zeitdruck sorgt dafür, dass starke Stressreaktionen ausgelöst werden. Diese behindern das rationale Denken und schränken unsere Leistungsfähigkeit ein.
Statt ruhig und strukturiert vorzugehen, verfallen wir in Aktionismus. Das bedeutet, wir handeln impulsiv, ohne vorher darüber nachzudenken. Mit der Folge kontraproduktive Ergebnisse zu liefern, die wertvolle Zeit rauben und somit den Stresslevel enorm erhöhen.
Wenn Sie aus diesem Teufelskreis aussteigen wollen, dann brauchen Sie eine klare Vorgehensweise für turbulente Situationen.
3 Tipps aus dem Cockpit
1. Entzerren Sie Belastungsspitzen

Piloten handeln präventiv. Sie strukturieren Ihre Arbeit im Vorfeld so, dass die kritischen Flugphasen möglichst einfach zu händeln sind. Alles, was im Vorfeld erledigt werden kann, um die kritische Flugphase zu entlasten, wird erledigt.
Psychologisch gesehen sorgen sie dafür, dass die Stressbelastung möglichst gering bleibt. Bis zu dem Punkt, wo Stress negative Folgen hat, bleibt somit noch eine Menge Spielraum.
In dem Moment, wo tatsächlich ein System ausfällt, bleibt ihnen so genügend Kapazität, um das Problem souverän zu lösen.
2. Überprüfen Sie, ob Ihre Einschätzung realistisch ist

Piloten handeln nicht sofort. Sie setzen sich gedanklich auf ihre Hände und analysieren zunächst die Situation.
Dabei klären sie zuerst, wie viel Zeit ihnen – realistisch eingeschätzt – zur Verfügung steht, um das Problem zu beheben. An dieser Stelle hinterfragen sie ihre eigenen Gedanken zur Zeiteinschätzung. Diese Überprüfung ist enorm wichtig, denn sie bewahrt die Piloten vor „gefühltem“ Zeitdruck, der unangemessen ist.
Psychologisch gesehen schützen sie sich somit vor impulsiven und fehlerhaften Aktionismus. Und sie nehmen sich Druck raus, der durch gefühlten Zeitdruck enorm erhöht sein kann.
3. Prozess bewerten

Nach jedem Flug mit unerwartetem Verlauf nutzen Piloten ein Debriefing, um in Ruhe zu reflektieren, wie der Lösungsprozess gelaufen ist.
Psychologisch betrachtet sorgen sie dafür, dass ihr Gehirn abspeichern kann „Mission erfolgreich bewältigt“. Das klingt komisch, ist aber ein durchaus wichtiger Prozess. Denn wenn Ihr Gehirn abgespeichert hat, dass diese Situation erfolgreich bewältigt wurde, schnellt in einer ähnlichen Situation Ihr Stresslevel nicht mehr so stark in die Höhe.
Und wenn der Stresslevel nicht mehr so stark ansteigt, dann bleiben Sie in Ihrem optimalen Leistungsbereich.
Wenn das Problem behoben wurde und Sie wieder durchatmen können, bewerten Sie den Lösungsprozess.
- Wie viel Zeit haben die einzelnen Schritte gebraucht?
- Wer war in welcher Funktion gut eingesetzt?
- Welche Maßnahmen haben Ihnen Zeit verschafft?
In der nächsten turbulenten Situation werden Sie gelassener reagieren, weil Sie diese erfolgreich bewältigt haben.
Ihre Takeaways
Wir erleben häufig Situationen, die großen Zeitdruck auslösen. Doch der erlebte Zeitdruck existiert meistens nur in unserem Kopf. Weder geht es um Leben und Tod, noch geht die Welt unter.
Piloten lernen in ihrer Ausbildung den gefühlten Zeitdruck rauszunehmen, um Stress zu reduzieren. In der Folge gelingt es ihnen, zügig, strukturiert und mit kühlem Kopf reagieren zu können.
Legen auch Sie sich eine Vorgehensweise für akute Stresssituationen zurecht. Folgende 3 Tipps aus dem Cockpit geben Ihnen eine erste Idee dazu:
- Entzerren – Aufgaben vorziehen, um vorhersehbare Stressphasen zu entlasten.
- Realistisches einschätzen – Wie viel Zeit steht Ihnen tatsächlich zur Verfügung
- Prozess bewerten – Real gebrauchte Zeit und Lösungswege abspeichern für die Zukunft.
Diese Maßnahmen entfalten eine große Wirkung. Und sie sorgen für eine erfolgreiche Bewältigung von Stressphasen. Dieser Erfolg wird im Gehirn gespeichert und lassen Sie in ähnlichen Situationen gelassener reagieren.
Das Gute daran – Sie meistern zukünftige Turbulenzen souverän.
Welche Vorgehensweise haben Sie, um mit unerwarteten Stressphasen umzugehen?